Aus der „Urkundensammlung des Ehrs. Tagwens Soool, 1859 (Landesarchiv Glarus, Gemeindearchiv):

 

Übertragung in die heutige Sprache: im Dorfmuseum Sool nachzulesen

 

 

Gott der Erbarmdte, wolle, welches mein herzlicher Wunsch, von uns u. unsern Nachkommenden alle fernere Unglück abwenden denn jetziger Zeit haben wir deren genug.

 

Bescheint

 

Joh. Heinrich Jenny, in seinem 70. traurigen Jahrslauf 1799

 

  

Beschreibung

 

 

Der Noth und Bedrängnis, welche wir in Folge der französischen, kaiserlichen und russischen Truppen, in den Jahren 1798 bis 1800 in unserm Land, spezziel in unserm Tagwen erlitten haben.

 

 

 

Verfasst von Joh. Heinrich Jenny, St. Gallerbot u. Vice Rathsh.

 

war Tagwenvogt von Sool von 1799 bis 1801, Präsident in der helvetischen Regierung von 1798 – 1804.

 

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Allhier ist anzumerken, dass anno 1798 im Herbst eine grosse Anzahl Franzosen vom Kriegsvolk, in unser Land, wider versprochene Kapitulation gekommen. Nachdem  man sich in diesem Frühjahr, unten im Land gegen Sie gestelt, zimlich tapfer gehalten und mit dieser grossen Nation wacker geschlagen, so ist mit denselbn Generallen u. Befehlshabern Kapituliert und Acordiert worden, das die Franken unser Land niemahlen Betreten sollen.

 

Allein wir wurden getäuscht, sie kamen in grosser anzahl, zu Pferd und zu Fuss, entwaffneten uns zum zweiten mahl, transportierten unser wehr u. Waffen zum Land hinaus, beraubten unsere lange zusammen gelegt und ersparte Landesschätze, auch alle Kanonen und Kriegs-Munition. Man legte uns unerträgliche Garnisonen ins das Land, viele arme Leut, mussten Sie Logieren, Speisen u. Leggen. Bemittelte Leute mussten derren 8 bis 10 erhalten, und währete bis im Sommer.  1799 hatten wir das unglück, das auf einmal drey Armeen unser Land besetzt, hinden im Land, bis nach Glarus lage zimlich lange eine starke kayserliche Armee -. Wir sezten Hüter auss, die Berg Pässe an allen orthen zu bewachen. Allein Niemand konnte der grossen Nation widerstehen. Sie kamen, durch das Klöntelerthall heraus, eine grosse Parthey von Ury über den Klaussen, und die Haupt Armee undten in das Land

 

Das Feuren Kanonieren und gemezzel dauerte zwanzig Tage lang. Die Kaiserlichen Liessen die Russen im Stich, reterierten sich durch das kleine Thall, die Franzosen folgeten nach, nur allhier wurden viele Tausend Schütze geschossen, und viele von beyden Partheyen umgekommen. Auch alle einwohner Allhier warren in der Grössten Todesangst, um Haus und Heimat und Ihr Leben zu kommen, mir selbsten fuhre eine Kanonen Kugel durch mein Hausdach. Alle Einwohner warren in den Kellern Verborgen, alles Kriegs-Volk warre Rassend und Wild, von Hunger und Mattigkeit. Wie das schlagen und gemezzel vorbey, stürzten und Brachen die Franken in die Häusser.  Niemand hatte vast kein Speiss und kein Brod nicht, dann ein Brod Kostete hier 40 Schilling, (gleich fr. 1.78 Rp.) die Maass Wein 44 Schilling. Alles ward aufgefressen, hernach begabe sich dass Kriegsvolk auf Rauben und Stählen, so dass Sie in vielen Häusseren, alles rein aus plünderten.

 

Die Russen aber hielten sich indessen bey dem Dörflein Riedern auf. Sie wurden aber von den Franken auch zum weichen getrieben, Reterirten sich auch nach dem Kleinthall, nachdem Sie bey Näfels Netstal bis Glarus, wie die Löwen doch mit einem erbärmlichen Hunger Ritterlich gewehrt und geschlagen haben. Hier war es wider wie das 1te Mahl, da Blitzgete u. donnerte alles, und jedermann glaubte unser arme Dorfschaft, müsse ein Raub der Flammen werden. Und o Gott wie Litten diese Leut‘ ein Hunger, Sie Bothen 6 Livresthaller (fr 5.67 Rp.) für  ein Brod, aber Niemand konnte Ihnen geben. Aber als Sie in die Gemeind Elmen kamen, hausseten sie erbärmlich aus noth, nahmen Ihnen Küh, Schwein Geiss und Schaaf, und schlachteten sie, und auf dem Bündtner Berg fielen bey 400 Mann samt den Pferdten, über eine Bergwand herrab, und verloren All Ihr Leben.

 

Hier musste man hernach wie zuvor, im ganzen Land ein starke Garnison bis im Frühling 1800 von den Franken erhalten, und überdiess grosse Heulieferungen, auch von Fleisch noch aussert das Land Glarus senden. Man musste das Volk schicken Proviant zu tragen und Kriegs Munition über die Berg Päss. Man musste die todtnen Menschen, derren überall Herrum Lagen auch die todten Pferd Begraben. – Auch hatten wir 16 Tage ein Lager, von 100 Mann auf den Bühlen, welche Holz Abscheulich viel Verbrannten. Alle Tage musste man Ihnen durch viele Leut‘ solches Hauen, und zum Lager tragen. Überdiess warren noch Lager oder Wachten, auf Schlatt und im Allmeind Gütli auch auf dem Bürgli. Diese Brauchten ebenfalls entsetzlich viel Holz. Wir mussten Ihnen zu den Hütten alle Bretter oder Läden anschaffen, die in der ganzen Dorfschaft zu finden Waren. Über diss nahmen sie von den Ställen, in der Nachbarschaft noch alle Thüren und die Läden ab den Schöpfen, und so verbrannten Sie, in diesem und nachfolgenden Lagern viele 100 Klafter Zaun Läden und was sie erwütschten. Wir mussten Ihnen  das Stroh was auf- und anzubringen war in’s Lager bringen. Wir mussten die Offizier mit gut Speis u. Trank unterhalten, den Soldaten alle Tag ein grosses Quantum Herdöpfel lieferen. Über das Raupten sie uns noch alle andern Saatenfrüchte, und ab den Bäumen, Wir mussten, die Pferdte samt Fuhrknechten und Bauren, beständig hergeben, Bagage Lebensmittel und Kriegs Munition zu führen.  Wir mussten Fuhrleute und Pferdte nach Rapperschweil  Wallenstadt u. Sargans schicken bis 1801 und dorten mit sehr grossen Kosten unterhalten. Wir mussten als das Lager auf den Bühlen vorbey unsere Bretter und Läden wieder auf das Bürgli Plünderen, weil 500 Mann samt etlichen Pferdten ein Lager 5 Tag dort hatten, und sie mit Holz Futter und Herdöpfel unterhalten.

 

Auch die Kaiserlichen hatten einmal sich dorten gelagert, wie auch im Ächerli unten, und diesen allen mussten wir Fleisch Butter Käs Milch Brod Wein u. Brandenwein anschaffen, wie auch Kaffee und Zucker. Wir mussten so Lange die Kayserlichen und Russen im Land waren, Sie auch wie die Franken mit allen ersinnlichen Produkten versehen.

 

 

 

Und ehe die Franken, unser Schweizerland betratten, hatten wir, nebst allen anderen Eidsgenossen, Leute nach Basel geben müssen, und wie Sie das Schweizerland angegriffen, schickten wir Hülfs-Truppen nach Bernen und selbigen Gegend, Wir schickten Hülfs-Truppen in das Muttenthall, die Untterländer besetzten das Klönterthall vor dem eindringen der Franken, die Hinterländer den Klausenberg, aber diss alles nüzte uns nichts, sich gegen diese grosse und unüberwindliche Nation wehren, sondern wir gerieten wie alle andern liebe Landesleute, in eine solche Schulden Last, denen so bald nicht wird können geholfen werden, wie an nachfolgenden Tabellen zu erfahren ist.

 

Von mir bezeichnet d. 22 Jänner 1801.

 

Johan Heinrich Jenny.

 

 

 

An Seelen waren auf Sool 357.

 

 

 

Verzeichnis

 

der Unkosten, welche der Tagwen im Jahr 1799 in Folge dieses Krieges gehabt hat, an den Offizieren und der Mannschaft überhaupt, geführt vom Munizipalbeamten Präsident Joh. Rudolf Jenny, Rathsh. J. Rudolfs, Bühl

 

 

 

 

 

Massangaben:

 

Geld:

1 Glarner Gulden  = 50 Schilling = ca. 5 Fünfpfünder = 2,5 kg Brot = heute ca. Fr. 5.-

 

Hohlmasse:

1 Weinmass = 2,2 lt.

1 Eimer = 127 Lt.

 

 

 

1799

Aug. 19, für die Soolerbürger, welche nach Linthal gezogen sind, 10 Mass Wein, 3 Brod, 5 Schoppen Schnaps u. 24 Pfund Käs, macht

 

den Kaiserlichen  2 ½ Mass v. Brantwein 

Sept

9, an Kaiserlichen Offizier an Wein u. Brtw.

     sowie Chäs und Brod

dto.

10  an französischen Offizieren, wie oben

dto.

11 den französischen Offizieren für Wein, Fleisch, Brod,      Käs, Schnaps, Salz, Essig u. Kerzen

dto.

13 den gleichen 10 Pfund Fleisch à 8 Schilling

     für die Offizier 3 Mass Wein à 38 S.

     u. 3 ½ Maass à 32 S.

     ½ Brod  1 Pfund Käs

    1 Schöppli Essig

    2 ½ Salz

dto.

14.  ½ Brod  ½ Pfund Käs

      3 Pfund Salz

      1Schöppli Essig

      für die Offizier       3 Mass Wein à 38 S.

                                    3 Mass Wein  à 32 S.

dto.

15. für die Offizier   3 Mass Rothen  à 38 S.

                               3 „         Weissen   32 S.

                    2 Pfund Salz

        Ich und der Tagwenvogt zugestellt

       1 Schöppli Essig

dto.

16. für die Offizier  4 Mass Rothen   38

                               3 Mass Weissen  32

      1 Schöppli Essig u. 2 Pfund Salz

      ½ Brod

dto.

17. Auf die Wacht für 5 Mann Kaffee

      10 Pfund Fleisch auf die Wacht à 8 Schill.

       Für die Offizir 5 Mass Rothen und 3 Mass Weissen

       2 Pfund Salz u. 3 Pfund Käs

dto.

18 Sept. 8 Mann Kaffee auf die Wacht

       den Offizier 4 Mass Rothen

                           4 ½ Mass Weissen

       2 Pfund Fleisch, 2 Pfund Salz, 1 Schöppli Essig

       1 Brod

dto.

19. 10 Pfund Fleisch à 8 S. auf die Wacht

       ½ Maass Enzianbrantwein

       den Offizier 4 M. rothen  2 ½ M. weissen

       1 Schopp. Essig u. 2 Pfund Salz

    Zugestellt der fridli Zopfi u. der Caspar

dto.

20. für 5 Mann Kaffee auf die Wacht

      den Offizier 4 Mass Rothen 38

                          3 Mass Weissen 32 S.

      1 Schöppli Essig, 2 Pfund Salz  1 Kerzen

      5 Pfund Fleisch à 8 Schilling

      Zahlt ich der Konto an Vetter Hans vor das er auf dem  

      Piquet gestanden

dto.

29  Gab ich dem Tagwen ein Buch um

      Ich zugestellt 2 Mal auf Glarus

dto.

21, 22, 23, 24, 25, 26, 27 u. 29

      Lt Spezifikation den französischen u. kaiserlichen  

     Offizieren

Octbr.

 1 bis zum 16 lt Speziel

dto.

Vom Bruder Hans ein Buch für die französischen Truppen

dto.

bis zum 6. Lt. Spezzial

Nov.

Im Monat November

Dez.

dto. Im Dezember

 

1800

Jänner

19  dem Rechnungssteller für die Rechnung auszugleichen

       Extra Kosten das ganze Jahr

Als Wahlmann 3 Tag

Vor 23 Tag will die Truppen hier gewesen à 15 S

Für alle meine Bemühung der Lohn

Ins bis dato

 

 

 

 

 

Kostenzusammenstellung:

 

 

 

Alte Schweizer-

franken

 

 

fr.

Bz.

1

Offizier  324

              518

           4

2

Soldaten  2842

            2273

           6

3

Pferde    25

                25        

 

4

Heu   158 Ztr.

              505               

          6

5

Stroh   36 Ztr.

               57

          6

6

Brod  817 zu 36 Schilling durchschnittlich

 

 

7

Käs   1250

              522

          1

8

Fleisch    4200

            1008

 

9

Wein  4 ½ Eimer

              225

 

10

Brandenwein    64 Maass

              160

 

11

Holz   82 Klafter

              820

 

12

Bretter   274

              274

 

13

Schanzarbeit und Anderes

              919

 

14

Herdöpfel   382 Viertel

              573

 

15

Fuhren

              234

 

16

Butter und Milch

                82

 

17

Bethzeug

                98

 

18

Kerzen und Salz

                47

 

19

Räubereyen an Privaten                                                             

            3824

           5

20

An Gebäuden und Früchten

              731

 

21

Beschädigte Waldungen und Zäunungen

              487

           5

 

Franken total

          13‘385

           3

 

Oder in Gulden

            8‘925        

          13 Bz.

 

mit samt dem Brod No. 6

               588

          12

 

Macht total in Glarnergulden

            9‘514

          10

 

 

 

 

 

Und jetzt in Schweizerfranken

           21‘143

          66 Rp.

 

 

 

1850 hat der damalige Gemeindeschreiber und Lehrer Caspar Luchsinger obigen Bericht ins Urkundenbuch des Tagwens Sool geschrieben und dazu bemerkt:

 

 

 

Der herzliche Wunsch, welchen obiger Verfasser der jetzt lebenden u. nachkommenden Generation zu Theil werden lässt, ist auch meiner Seele entnommen. -  Mit wenigen Worten zeichnet er uns die traurige Lage der damaligen ausserordentlich auf unserm Vaterland lastenden Kriegszeiten der Franzosen, Oesterreicher und Russen; wo aller Handel u. Verdienst darnieder lag, und fremde Kriegsvölker das Land aussogen. Die traurige Folge war: dass im folgenden 1800 Jahre aus unserm Kanton Glarus über tausend Kinder von ihren Eltern getrennt werden mussten, um in anderen Kantonen ihr Leben fristen zu können.

 

 

 

– Levi Feldtmann, Schustermeister in Schwanden, der die Zeitperiode einfach, aber in sehr schönen ansprechenden Bildern besingt, drückt sich also aus:

 

Seit vierhundert zehen Jahren, war kein feindlich Kriegesschwerdt, hier gezückt – von Kriegesschaaren kein Geräusch mehr gehört. Aber jetzt bei diesen Zeiten, da drei Heer im Lande streiten, hört man Krieg u. Kriegsgeschrei Noth u. Elend mancherlei. – Wenn der Enkel spät Geschlechte, einst von diesen Zeiten hört, dass so viele Kriegesknechte, einst bei uns sind eingekehrt; werden sie sich finden können? Werden sie diess glauben können? Voll Verwunderung und Entsetzen, wird sie’s in Erstaunen setzen. – Und über die Auswanderung der Kinder klagt er: Wem wird nicht sein Herze bluten? Wenn er diese Leiden sieht; ja, es ist wohl zu vermuthen, dass dem Aug‘ ein Zähr entflieht. Seht des Mitleids Thränen fliessen, die in Strömen sich ergiessen. Selbst der rohe Krieger weint, da diess Trauerspiel erscheint. – Und so ziehen schaarenweise, arme Landeskinder fort um zu suchen Brod und Speise, bei den Menschenfreunden dort; die gerührt durch diesen Schaden, sie so freundlich eingeladen um ihr Brod mit ihnen zu theilen tief geschlagene Wunden heilen. –

 

 

 

In diesem Jahr (1850) wo ich dies schreibe, haben wir Frieden, wohlfeile Lebensmittel, schönen Verdienst, nicht nur in den Fabriken, sondern ueberall sind die Arbeiter begehrt, u. wer arbeiten kann u. will, hat einen ordentlichen Verdienst. So kann man sagen es ist ganz das Gegentheil von der Zeit, wo der Präsident Joh. Heinrich Jenny sel. seinen schweren Gedanken gleichsam Luft macht, u. sie uns zum Andenken niedergeschrieben hat.

 

Aber wir sind schuldig, wohl Acht zu geben und uns selbst, dass wir, wenn wieder Tage der Prüfung kommen sollten, uns nicht zu sehr anklagen müssen: hätten wir die glücklichen Tage und Zeiten nicht so leichtsinnig verschwendet, mit Ueppigkeit, Hoffart u. Pracht, welche leider immer mehr in Schwang gerathen. Wir haben einen Spiegel, denn seit den Jahren 1799 bis auf unsere Tage haben wir Krieg u. Theurung u. ander schicksalsvolle Zeiten erlebt.

 

 

 

Ich schliesse mit obigem Verfasser: Gott der erbarmte wolle, welches mein herzlicher Wunsch, von uns u. unseren Nachkommenden alle fernern Unglück abwenden.

 

 

 

Caspar Luchsinger, im 37ten Lebensjahr 1850.

 

der Zeit Lehrer und Gemeindschrb.

 

 

 

An Seelen waren auf Sool 357. 

 

                                                                                                                                                                                zurück